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Zum Thema Politik

und Politikverdrossenheit

SPD angekreuzt

Eines der beliebtesten Medienschlagworte ist der Begriff Politikverdrossenheit. Allmählich scheint sich die Ansicht durchzusetzen, Deutschland könne auf Politik, Politiker und politische Parteien gut verzichten.

Hierzu nahm vor einiger Zeit ein Artikel in der "Zeit" Stellung. "Verdrossen", schrieb Werner Patzelt, seien nur die "Ahnungslosen". Daraufhin wurde er in erbosten Leserbriefen belehrt: nicht nur Unwissende seien verdrossen über die "Politikerkaste", sondern auch das Bildungsbürgertum. Es folgten die üblichen Vorwürfe, denen zufolge Politiker (offenbar kastenbedingt) samt und sonders überbezahlte, korrupte Stümper und Blender sind, die mit ihrem Gezänk allen anderen auf den Keks gehen.

Die naheliegendste Konsequenz aus diesem Befund wurde zwar bislang noch nicht gezogen; die Bürger reagieren lediglich mit wachsendem Abscheu und achten zunehmend darauf, sich selbst in nichts hineinziehen, sich "vor keinen Karren spannen" zu lassen. Viele gehen nicht einmal mehr zur Wahl. Parteien (die wollen alle nur was!) werden argwöhnisch gemieden, sind beispielsweise an Schulen geradezu unerwünscht. Sollte also demnächst die alte Idee wiederaufkommen, das ganze Parteiengesindel aus Deutschland hinauszufegen (wir erinnern uns), könnte sie mehr Zustimmung finden, als wir uns träumen lassen.

Dabei müsste eigentlich jeder wissen, dass demokratische Verhältnisse für 82 Millionen Deutsche irgendwie organisiert sein wollen, dass unsere Demokratie ohne Politiker und politische Parteien nicht funktionieren kann. Dennoch lehnen immer mehr Menschen Parteipolitik als unanständig ab, halten sich raus - und sich selbst dabei für besonders anständig, für gute Demokraten gar. Verrückt. Wie kann man die eigenen Belange Leuten preisgeben, denen man alles, nur nichts Gutes zutraut? Wie kann man die eigene Verdrossenheit und Passivität für verdienstvoll halten?

Politikverdrossenheit gilt als Folge demokratischen Verfalls. Das ist Unfug. Umgekehrt wird ein Schuh draus: demokratischer Verfall ist die Folge von Politikverdrossenheit. Demokratie gibt es nur, solange sich die Menschen zu ihr bekennen und für sie einsetzen - auch und besonders in Parteien. Demokratie gibt es nur, wo von vielen mit Sachkenntnis und Engagement mitgedacht, mitgearbeitet, diskutiert und gestritten wird.

Demokratie ist anstrengend. Aber Einigkeit und Recht und Freiheit wachsen nicht auf Bäumen. "Politik", sagt der Volksmund: "ist ein schmutziges Geschäft". Und damit hat er völlig recht. Und zwar dann, wenn das Volk seine politischen Geschäfte schmutzigen Händen überläßt, statt sich zu engagieren.